Land der Kunst und Geschichte Guebwiller – Burg der Neuenbourg

Wohnanlage „Le Louvre“
Wohnanlage „Le Louvre“

Industrielles Kulturerbe

Wie das gesamte Oberelsass erlebten auch das Florival, also das Tal der Lauch, und Guebwiller große Industrialisierungsprozesse, die ihnen ein bedeutendes industrielles Kulturerbe hinterlassen haben.

Der Beginn des industriellen Aufbruchs

Vor der Industrialisierung wurde die traditionelle Lebensweise im Tal vom Weinbau und vom Handwerk geprägt. Die Landwirtschaft war die Haupteinnahmequelle der lokalen Bevölkerung. Das Weberhandwerk übten die Menschen damals in Heimarbeit aus und sicherten sich dadurch ein zweites Einkommen. Doch zu Beginn des 19. Jahrhunderts änderten sich die Dinge. Denn bereits einige Jahre nach der Französischen Revolution begann in der Region Guebwiller der Aufbau der Textilindustrie. Zu den Vorläufern zählt das Unternehmen Ziegler, Greuter et Cie, das 1806 innerhalb des ehemaligen, als Nationalgut verkauften Dominikanerklosters eine Spinnerei, eine Weberei, eine Bleicherei und eine Stoffdruckerei einrichtete. In derselben Epoche, im Jahr 1812, gründete der Baseler Industrielle Lucas Preiswerck in Soultz eine Bandfabrik, die später unter dem Namen „Baumann & Cie“ bekannt wurde.

Eine leistungsstarke Industrie

Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts breitete sich die Industrialisierung allgemein aus, was gesellschaftliche Veränderungen nach sich zog. Zunächst stellten die neu entstandenen Unternehmen gelernte Weber ein, aber mit der Zeit wurden auch aus abgelegenen Weilern Arbeitskräfte angeworben. Durch den Ausbau der Eisenbahn ermutigt wanderte die Bevölkerung in weniger als einem Jahrhundert aus den Weilern in den Bergen ab. Die Arbeit in der Industrie wurde fortan zum Hauptberuf und die Landwirtschaft zum Nebenerwerb, der nur noch ein Zusatzeinkommen abwarf. In der Anfangszeit war das Vorhandensein eines Wasserlaufs ein wichtiger Faktor für die Ansiedlung der Industrie, weshalb sich die ersten Pioniere für das Ufer der Lauch entschieden. Allerdings wurde das Wasserrad rasch durch die leistungsstärkere Turbine ersetzt und ab 1820 wurden die Fabriken mit Dampfmaschinen ausgestattet. Die technische Entwicklung der Maschinen beeinflusste selbstverständlich die Fabrikarchitektur, wodurch sich die stetige Veränderung der Industriebauten zwischen dem ausgehenden 18. Jahrhundert und dem 20. Jahrhundert erklärt.

Die Industrie und die Menschen

In den Reihen der Textilunternehmer finden sich einige außergewöhnliche Männer, die ihre Zeit prägten. Zu ihnen zählt der Baseler Mathias Latscha (1792-1857), der 1805 nach Guebwiller kam, als einfacher Posamenter in der Bandfabrik Bary & Bischoff begann und später die Fabrik „Latscha & Cie“ gründete. Er ist ein gutes Beispiel für die kleinen Unternehmer, die mit ihrem Unternehmergeist den industriellen Aufschwung im Tal ermöglichten. Nicolas Schlumberger und Jean-Jacques Bourcart (1801-1855) taten sich in einem anderen Bereich hervor. Sie waren Teilhaber des Unternehmens Nicolas Schlumberger & Cie, das sie 1810 am Standort einer ehemaligen Mühle gründeten, trugen zum Ausbau des Industriezentrums bei, zu dem sich Guebwiller entwickelt hatte, und ergriffen auch philanthropische Maßnahmen. Nicolas Schlumberger gründete nämlich eine Versicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit und trug zur Schaffung eines Gesetzes zur Arbeitszeitbegrenzung von Kindern und Arbeitern bei, während sein Schwager im Jahr 1856 die ersten Arbeitersiedlungen gründete und sich ebenfalls im Sozialkampf zugunsten der Arbeiter engagierte. Schließlich ist auch der Keramiker Théodore Deck (1823-1891) zu nennen. Berühmt wurde er durch die Wiederentdeckung eines blau-türkisen Farbtons, der als „Bleu de Deck“ (Deckblau) bezeichnet und noch heute in der Keramikherstellung verwendet wird.

Krisen, Niedergang und Umstrukturierung

Die Textilbranche wurde durch den Ersten Weltkrieg hart getroffen, denn die Front verlief sehr nah bei Guebwiller. Die Industriegebäude wurden durch den Krieg stark in Mitleidenschaft gezogen und viele wurden zerstört, in Brand gesteckt oder durchsucht. Nach dem Zweiten Weltkrieg bahnte sich in den 1950er-Jahren eine noch viel schwerere Krise an, die letztlich zum endgültigen Niedergang der französischen Textilindustrie führte. Im Jahr 1970 zählte die Textilindustrie in ganz Frankreich über eine Million Beschäftigte. Heute beläuft sich ihre Zahl nur noch auf ein Fünftel. Dies ist hauptsächlich dadurch zu erklären, dass mit den Niedriglohnländern eine neue Konkurrenz auftauchte, der nur schwer zu trotzen war. Angesichts des Niedergangs dieses Industriezweigs konnte durch die Ansiedlung neuer Unternehmen in den alten Gebäuden ein Teil der Arbeitsplätze erhalten werden. Für einige aufgegebene Standorte gab es Umstrukturierungsinitiativen. Bei einer Umstrukturierung wird die ursprüngliche Funktion komplett geändert, um den aktuellen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Das beste Beispiel hierfür ist die ehemalige Bandfabrik von Bary-Mérian in Guebwiller, in der heute das Théodore-Deck-Gymnasium untergebracht ist.
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